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Was tyrannisiert unser Leben?

Aufsatz

Wir spüren es im Alltag, wir erleben es weltweit. Es gibt heute ein wohl krasses Beispiel dafür, wie die Grundrente ihren ursprünglichen Sinn verloren hat und nicht nutzbar gemacht werden kann. Durch die heutige Geldwirtschaft und Geldpolitik als Wirtschaftspolitik ist sie in die Warenzirkulation übergegangen und zu einem Gewinnobjekt gemacht worden. Argentinien, eines von der Naturgrundlage her reichsten Länder der Welt, liegt wirtschaftlich komplett danieder. Dargestellt wird die Krise als ein internes und externes Liquiditätsproblem. Es wird aber befürchtet, dass eine Geldmengenerhöhung durch die Zentralbank – beispielsweise durch Ankauf von Dollars – eine Inflationsgefahr beinhalte. In den Zeitungen konnte man von der Verwendung paralleler Zahlungsmittel, einem Alternativgeld lesen. Aber derartige Versuche oder Massnahmen verlaufen solange im Sande, als nicht der Zusammenhang der Geldschöpfung(2) mit der Wertschöpfung aus dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Bodenfläche als Basis der Wertbildung verstanden wird. Ein anderes Beispiel, diesmal für die Folgen der nicht verstandenen Funktion des Kapitals bildet Japan. Dort wanderte das überschüssige Kapital, das von der Industrie nicht mehr absorbiert werden konnte, in Grund und Boden statt in den Verbrauch. Das führte über einen enormen Bodenpreisanstieg zu einer gigantischen Aufblähung des gesamten japanischen Finanzwesens mit einer entsprechenden Teuerung. Nach über zehn Jahren hat das Land die daraus entstandene wirtschaftlich-finanzielle Krise noch nicht überwunden.

Drei Begriffe sind mit der herkömmlichen Geldwirtschaft aufgekommen und tyrannisieren das gesamte soziale Leben, ja sind zunehmend dabei, es zu zerstören: Die Konjunktur, der Arbeitsmarkt, die Kapitalrendite. Die bloss geldkapitalistische Betrachtungsweise der wirtschaftlichen Vorgänge hat verhindert die drei fatalen Begriffe zu überwinden, weil diese Betrachtungsweise unfähig ist, die drei, die arbeitsteilige Wirtschaft ausmachenden Grundprozesse begrifflich zu erfassen.

Es handelt sich hierbei um die Prozesse

  1. der Wertbildung (was ist ein wirtschaftlicher Wert)
  2. der Kapitalbildung (was bedeutet in nicht-geldlicher Betrachtung Kapital)
  3. der Preisbildung (welche Funktion übernimmt der Preis in einem Wirtschaftssystem).

Gleichermassen wurde die Geldschöpfung nicht in einen inneren Zusammenhang mit den drei Prozessen als deren nominelle oder buchhalterische Erfassung gebracht.

Konjunktur

Nach der heutigen Auffassung ist der wirtschaftliche Wert einer Leistung gleich dem Markt- oder Geldpreis; Leistung definiert als materielles oder immaterielles Arbeitsergebnis. Diese geldkapitalistische Betrachtungsweise liefert eine bloss nominelle, zum Menschen beziehungslose Vergleichsgrösse; der Preis ist ja lediglich Ausdruck des Verhältnisses zweier ausgetauschter Leistungen. Der Mensch spielt heute in dem Verhältnis Geldmenge (Sozialprodukt) keine Rolle, daher gibt es für den wirtschaftlichen Wert heute kein anderes Verständnis als den Geldpreis. Der Marktpreis bestimmt also die Höhe des Leistungserträgnisses und bildet somit Anreiz für die Leistungsmenge. Diese bestimmt die Höhe der Einkommen. Und so wird die Konjunktur solange zur Obsession des Wirtschaftens, als Leistungserträgnis und Einkommen nicht als Grössen für sich erfasst werden können und sie daher interdependent wirken, d.h. sich gegenseitig bedingen. Dann wird das Leistungserträgnis, nicht das Bedürfnis eigentlicher Initiator der Produktion und wird zu deren Geissel.
In der prospektiven assoziativen Wirtschaft bildet die Geldmenge Äquivalent der Wertschöpfung, die sich aus dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Bodenfläche (Naturgrundlage) ergibt, und richtet sich also nach der Bevölkerungszahl. Alle durch körperliche Arbeit einer Gemeinschaft am Boden gewonnenen Güter ergeben den Naturgewinnungswert, von dem jeder lebt (Sozialprodukt). Geteilt durch die Bevölkerungszahl stellt er die Sozialquote dar. Sind Einkommen und Leistungserträgnis durch Bindung der Geldmenge an die Sozialquoten getrennt erfassbar, kann der Preis zusätzlich die Funktion des Ausgleiches zwischen variablen Bedürfnissen und dank Organisationswert ebenfalls variablem Wert der einzelnen Leistungen übernehmen; für die Einkommen unabhängig davon, ob viel oder wenig konsumiert wird.

Arbeitsmarkt

Das Leistungserträgnis teilt sich mittels Eigentum in Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen (Lohn). Der eigentumsbedingte Gegensatz Kapital-Lohn führt zur Elimination des Arbeitseinkommens als Unkostenfaktor. Ein kompensatorisches Einkommen in Form der Arbeitslosenunterstützung zur Erhaltung von Kaufkraft wird der anonymen Gesellschaft überantwortet. Unter dem heutigen Aspekt des Eigentums werden Gewinne privatisiert, systemgefährdende Verluste hingegen sozialisiert.
Solange die Arbeit als Ware in der Wirtschaft zirkuliert, kommt man nicht aus dem Konkurrenzkampf zwischen Lohn und Kapital heraus mit allen Folgen der unnötigen Arbeit als Einkommensgelegenheit, der Inflation oder Deflation, des Desinteresses an der Arbeit. Die Güterpreise spiegeln dann die Lohnhöhe und Arbeitszeit wider, anstatt, davon unbelastet und allein bestimmt durch die Bedürfnisse, mittels assoziativer Ausrichtung der Produktion in Übereinstimmung mit den individuellen Einkommen gebracht zu werden. Das allerdings setzt voraus, dass an die Stelle des herkömmlichen Kapital-Lohn- Systems die freie Vergesellschaftung (Assoziation) der Erbringer materieller und immaterieller Leistungen tritt.

Kapitalrendite

Kapital bilden, erhalten und vermehren ist immer gebunden an materielle Produktion; immaterielle Leistungserbringung hingegen erhält sich durch Kapitalverzehr. Die Erhöhung der Geldmenge mit der Erhöhung der Leistungsmenge (auch dank unnötiger Arbeit oder Verschleisswirtschaft) ermöglicht über nominell höhere Leistungserträgnisse die zunächst scheinbar unlimitierte Vermehrung und freie Verfügbarkeit (Handelbarkeit) von Kapital als Privateigentum; darin begründet sich der Wachstumszwang.
Im Stadium materieller Sättigung wird die Verteilung des aus dem Marktpreis resultierenden Leistungserträgnisses (mit seinem Anteil ersparter Arbeit) zur eigentlichen Zivilisationsfrage; denn in dieser Auseinandersetzung werden Bildungs- und Kulturleben als erste gesellschaftlichen Bereiche Kürzungen erleiden.
Wird Kapitalbildung nicht als Loslösung der Arbeit von der Naturgrundlage, Kapital nicht als Gegenwert ersparter Arbeit an der Naturgrundlage erkannt, wird nicht durchschaut, wie sich aufgrund der heutigen Geldwirtschaft Grundrente mit Kapitalzins vermengt. Ohne Grundrente kann die Gesellschaft aber gar nicht leben; denn von ihr werden das ganze geistige Leben, das Gesundheitswesen, die Altersversorgung, ja alle staatlichen Institutionen erhalten. Eine zivilisatorische und kulturelle Besserstellung der Gesellschaft ist gebunden an einen ihr insgesamt zugute kommenden Nutzeffekt der Kapitalbildung – aber bei durchaus individueller Einkommensbildung. Kapitalakkumulation aus überholtem Selbstversorgungsdenken missachtet die die Zivilisation fördernde Wirkung der Arbeitsteilung. Denn sie reisst einen möglichst hohen Anteil des Wertes, den die Organisation der materiellen Produktion schafft, einseitig an sich. Diese Organisation ist aber einem Bildungsleben zu verdanken, dessen Förderung auf einem allgemeinen Bedürfnis im Sinne eines gesellschaftlichen Erfordernisses beruht.



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