Welche Funktion hat der Preis in welchem System?
Vortrag anlässlich des 3.Symposiums vom 11. Oktober 2002 der Aktion Zukunftswerkstatt der Expoagricole in Murten
Arbeitsteiliges Wirtschaften bedeutet Austausch von materiellen und immateriellen Arbeitsergebnissen, im Folgenden Leistungen genannt. Die Leistungen stellen Werte dar, weil der Mensch ihrer zur Bedürfnisbefriedigung bedarf. Mit dem Austausch der Leistungen tritt das Problem ihrer gegenseitigen Wertbemessung auf, damit und sodass jeder Erzeuger bis zur Hervorbringung einer gleichwertigen Leistung seine Bedürfnisse aus den Leistungen anderer befriedigen kann und zwar bei freier Bedürfnisentfaltung. Damit rückt das Preisproblem in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Denkens. Denn der Preis einer Ware oder Leistung - jetzt nicht in Geld ausgedrückt - ist dasjenige, was ihren Wert im Verhältnis zu anderen Waren oder Leistungen darstellt, für die man als Mensch Bedürfnis hat. Also, der Preis drückt sich in dem Verhältnis eines Hemdes zu einem Laib Brot aus. Dieses Verhältnismässige ist es, was zuletzt zum Preisproblem führt.
Das Verhältnismässige der Werte figuriert heute als im Markt resultierende bloss arithmetische Vergleichsgrösse in Form des Geldpreises , und es bleibt aufgrund der Gleichsetzung von Geldpreis und Wert die gegenseitige Wertbemessung der Leistungen in einem Unbestimmten. Man kann nicht einfach fragen: wie viele Produkte a entsprechen wie vielen Produkten b, also z.B. wie viel Getreide entspricht einem Hemd, einem Radio oder einer Unterrichtsstunde, weil sich die Leistungen unmittelbar miteinander nicht ohne weiteres vergleichen lassen. Es vergleichen sich nicht Stoffe bzw. Güter, auch nicht abstrakte Arbeitszeitmasse (Stundenansätze), sondern allein Werte miteinander; Arbeit für sich genommen besitzt keinen wirtschaftlichen Wert, erst das Arbeitsergebnis. Wert, bei dessen Zustandekommen immer der Mensch einbezogen ist, verglichen mit Wert, führt zum Preis; darin zeigt sich, wieweit jeder aus seiner Leistung seine Bedürfnisse aus den Leistungen der anderen zu befriedigen in der Lage ist. Dass man in der Preisbildung nicht zu etwas kommt, was eben ein ganz Unbestimmtes ist, kann man einsehen, wenn man, wie ich das in meinem Referat vom 27. Mai 2002 hier in Murten getan habe, alle Leistungen bis zu der Wertschöpfung zurückverfolgt, die sich für die Bodenarbeit aus der Bevölkerungszahl zur benötigten Bodenfläche ergibt.
Das Mass für den Wert aller Leistungen bildet die Gesamtheit der Arbeitsergebnisse unmittelbar an der Natur. Es ist dies das "Urwertmass", worin der von Bedürfnis und Herstellung einem Gut beigemessene Wert identisch ist, ein monetär zunächst noch nicht definierter Wert - eine nicht geldliche Wertvorstellung. In dem Urwertmass, basierend auf dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Naturgrundlage, findet jeder Mensch anteilsmässig in der Sozialquote sich selbst als Bezugsgrösse wieder; die Sozialquote könnte auch als Einkommensquote bezeichnet werden. Erst eine solche konkrete, "dingliche" Wertvorstellung überwindet die heutige Unbestimmtheit der Wertrelationen, bedingt durch eine Wertvorstellung in bloss abstrakten Geldpreisen.
Letztlich basiert alles Wirtschaften auf der Bodenproduktion, einer Landwirtschaft noch ohne Organisationswert, denn alle von der Bodenproduktion dank Organisationswert emanzipierte Tätigkeit lebt von ihrem Überschuss (nicht zu verwechseln mit Überproduktion). Erst Arbeitseinsparung durch Rationalisierung versetzt die Bodenproduktion in die Lage, Menschen für andere Tätigkeiten freizustellen, indem sie deren Existenzgrundlage miterwirtschaftet. Daher nimmt auch alle Preisbildung von der Bodenproduktion her ihren Ausgangspunkt; der Wert aller ausserhalb der Bodenproduktion hervorgebrachten Leistungen entspricht dem, was die von der Bodenproduktion Freigestellten in ihr zu ihrer Existenzgrundlage hätten leisten müssen. Produktivität (Organisationswert) wirkt auf die Preisbildung verbilligend, sofern für weitere materielle Produktion freigestellt wird.
Denkt man sich die Leistungen im Ursprung hervorgehend aus dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Naturgrundlage, haben die Leistungen in diesem Ausgangsstadium ihren objektiven Wert, der zusammenfällt mit dem subjektiven Beurteilungswert, den der einzelne Mensch ihnen beilegt. In dem Masse, in dem das Wirtschaften unter Menschen sich davon entfernt, dass der einzelne bloss für sich und seine Allernächsten sorgt, und in einen allgemeinen Leistungsaustausch übergeht, ist die Übereinstimmung des Wertes, den das Bedürfnis einer Leistung beimisst, mit demjenigen, den der Hervorbringer einer Leistung derselben zu seiner Bedürfnisbefriedigung beizumessen hat, nicht mehr unmittelbar gegeben. Und damit kommt das Problem auf: ist ein Ausgleich zwischen dem Bedürfnis und dem Wert der Leistung in der arbeitsteiligen Wirtschaft möglich, und bejahendenfalls wie kann er zustande kommen?
In dem Moment, wo der Mensch seine Arbeitsergebnisse nicht für sich verwendet, sondern mit anderen Menschen in die Beziehung des Leistungsaustausches tritt, wirken eben zwei als nicht mehr identische Faktoren in die Preisbildung hinein: Bedürfnis und Wertbildung, letztere vom Standpunkt des Produktionsprozesses aus, wobei der Organisationswert den Urwert oder Naturgewinnungswert - entwertet kann man nicht sagen - zahlenmässig in Geld ausgedrückt auf ein Geringeres zurückführt.
Eine Geldschöpfung auf Grund der Gleichsetzung einer Geldmenge mit dem Urwertmass macht das Geld zur Buchhaltung wirtschaftlicher Werte. Es wirkt dann immer als „Erinnerung“ an das Urwertmass bzw. den blossen Naturgewinnungswert. Ein so qualifiziertes Geld ermöglicht den bilanzmässigen Vergleich des Erlöses des Arbeitsergebnisses des einzelnen mit dessen Sozialquote, Vorbedingung des assoziativen Ausgleichs zwischen bedürfnisbedingten und von der Herstellung geforderten Preisen.
Mit anderen Worten: Wird die Geldmenge an die Wertschöpfung gebunden, die sich aus dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Bodenfläche (Naturgrundlage) ergibt, sind Einkommen und Leistungserträgnis getrennt erfassbar. Dadurch kann der Preis, ausser blosses Indiz der Nachfrage zu sein, die Funktion der Vergleichsgrösse für den Ausgleich zwischen variablen Bedürfnissen und dank Organisationswert ebenfalls variablem Wert der einzelnen Leistungen übernehmen; für die Einkommen unabhängig davon, ob viel oder wenig konsumiert wird.
Ein Wirtschaftsgebiet wird durch die Währung zu einem einheitlichen. Unter Zugrundelegung der prospektiven Geldschöpfung ist die Währung die Summe der aktivierten Produktionsmittel, an denen körperliche Arbeit geleistet wird; primäres Produktionsmittel ist Grund und Boden. Eine Geldschöpfung auf solcher Grundlage macht dank des kopfzahlmässig möglichen Vergleiches zwischen nachfragebedingten Preisen und der Sozial- bzw. Einkommensquote eben diese Relation für alle Leistungen in allen sozialen Bereichen transparent.
Weil der Mensch in dem Verhältnis Geldmenge zu Leistungsmenge (Sozialprodukt) heute keine Rolle spielt, gibt es für den wirtschaftlichen Wert heute kein anderes Verständnis als den Geldpreis; es kann der wirtschaftliche Wert heute nicht getrennt vom Geldpreis erfasst werden. Daher wird das Leistungserträgnis und nicht das Bedürfnis heute Initiator des Wirtschaftens mit allen Folgen, wie sie auf dem Beiblatt „Wirtschaft“ unter der Rubrik „Marktwirtschaft“ aufgelistet sind. Prinzipiell besteht heute kein innerer Zusammenhang zwischen Geldmenge und Produktion bzw. Sozialprodukt. Die heutige Geldmengenpolitik orientiert sich an der Konjunktur und den Preisen (Preisindices); etwas euphemistisch kann man sagen, sie orientiere sich anhand von Statistiken u.a. an der Warenmenge und deren Verbrauch.
Unter dem einseitigen Gesichtspunkt einer blossen Marktwirtschaft mag das auf der Nachfrage beruhende Kapitalerträgnis allein entscheiden, ob ein Gut hergestellt werden soll oder nicht. Die Nachfrage und das Kapitalerträgnis alleine können aber noch nicht darüber entscheiden, ob ein Gut zu einem Preis erzeugt werden kann, dass der Erzeuger aus dem Erträgnis seines Arbeitsergebnisses seine materiellen und immateriellen Bedürfnisse und diejenigen der ihm als reine Verbraucher Nahestehenden aus den Arbeitsergebnissen anderer befriedigen kann. Diese Entscheidung kann nur durch Einrichtungen bewirkt werden, durch die aus einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung heraus die Bewertung der einzelnen Arbeitsergebnisse zustande kommt, woraus im weiteren die wirtschaftlich-finanzielle Stellung eines jeden ersichtlich wird. Das Preisproblem so zu formulieren, ist der heutigen ökonomischen Betrachtungsweise nicht möglich, obwohl, wie jedem einsichtig, es das soziale Problem schlechthin ist. Denn erst die Erfassung des Wertes vom Moment seiner Entstehung an, liefert das Mass zum Ausgleich zwischen Bedürfnis und Wert der Leistung.
Kapital bilden, erhalten und vermehren ist immer gebunden an materielle Produktion; immaterielle Leistungserbringung hingegen erhält sich durch Kapitalverzehr. Die Erhöhung der Geldmenge mit der Erhöhung der Leistungsmenge (auch dank unnötiger Arbeit oder Verschleisswirtschaft) ermöglicht über nominell höhere Leistungserträgnisse die zunächst scheinbar unlimitierte Vermehrung und freie Verfügbarkeit (Handelbarkeit) von Kapital als Privateigentum; darin begründet sich der Wachstumszwang.
Die Erzwingung fortgesetzter Kapitalbildung richtet die Landwirtschaft zugrunde; denn sie darf mit Rücksicht auf die Qualität ihrer Produkte nicht überkapitalisiert werden, und sie kann ihre Produktionsmenge auch nicht zwecks höherer Einkommen beliebig ausdehnen. Macht es doch auch keinen Sinn, niedrigere Kosten für landwirtschaftliche Produkte mit höheren Kosten im gesundheitlichen Bereich aufzuwiegen. Beim blossen Waltenlassen von Angebot und Nachfrage unter lediglich einzelbetrieblichem Interesse müssen Bedürfnisse verkümmern, deren Befriedigung die Zivilisation erhöht.
Im Stadium materieller Sättigung wird die Verteilung des aus dem Marktpreis resultierenden Leistungserträgnisses (mit seinem Anteil ersparter Arbeit) zur eigentlichen Zivilisationsfrage; denn in dieser Auseinandersetzung werden Bildungs- und Kulturleben als erste gesellschaftlichen Bereiche Kürzungen erleiden.
Wird Kapitalbildung nicht als Loslösung der Arbeit von der Naturgrundlage, Kapital nicht als Gegenwert ersparter Arbeit an der Naturgrundlage erkannt, wird nicht durchschaut, wie sich aufgrund der heutigen Geldwirtschaft Grundrente mit Kapitalzins vermengt; Grundrente verstanden als Ertrag des Bodens unter Berücksichtigung der Produktivität. Ohne Grundrente kann die Gesellschaft aber gar nicht leben; denn von ihr werden das ganze geistige Leben, das Gesundheitswesen, die Altersversorgung, ja alle staatlichen Institutionen erhalten. Eine zivilisatorische und kulturelle Besserstellung der Gesellschaft ist gebunden an einen ihr insgesamt zugute kommenden Nutzeffekt der Kapitalbildung – aber bei durchaus individueller Einkommensbildung. Kapitalakkumulation aus überholtem Selbstversorgungsdenken missachtet die die Zivilisation fördernde Wirkung der Arbeitsteilung. Denn sie reisst einen möglichst hohen Anteil des Wertes, den die Organisation der materiellen Produktion schafft, einseitig an sich. Diese Organisation ist aber einem Bildungsleben zu verdanken, dessen Förderung auf einem allgemeinen Bedürfnis im Sinne eines gesellschaftlichen Erfordernisses beruht. Einen preislichen Ausgleich zu schaffen zwischen sogenannten produktiveren und unproduktiveren Wirtschaftssektoren kann dank der Transparenz des Systems, wodurch niemand sich benachteiligt fühlen muss, im allgemeinen kulturellen Interesse liegen. Wird die Kapitalvermehrung zur alleinigen Macht, unter welche alle Produktionszweige gezwungen werden, kann sie nicht mehr Ausdruck für eine Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens werden, die allen leiblichen und geistigen Anforderungen Rechnung trägt.
Nicht darum geht es, an die Stelle des freien Leistungsaustausches im Zeichen von Angebot und Nachfrage eine Zwangswirtschaft zu setzen, sondern aus einem überschauenden Gemeinsinn heraus die Angleichung von Bedürfniswerten und Herstellungswerten anzustreben und zwar mittels Ausrichtung der Produktion:
Ohne eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung, ein gesamtwirtschaftliches Verständnis und ohne gesellschaftliches Vertrauen, wodurch der Einzelwille sich mit dem überschauenden Gemeinsinn identifizieren kann, würde alles Wirtschaften nur unter das Verhältnis von Konkurrenz und Suchen von Vorteilen geraten, was letzten Endes zu einem totalen gesellschaftlichen Verfall führen müsste.
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